BeautyDelicious: War es selbstredend, dass Sie die Drogistenausbildung machen oder war es ein Herzenswunsch?
Iris Wagner: Es war kein Herzenswunsch. Früher war es selbstverständlich, dass man als Kind in ein Familienunternehmen nachfolgt. Ich habe das nicht hinterfragt. Aber die Entwicklung, die ich dadurch erlebt habe, bereue ich nicht und würde den Weg heute wieder gehen.
BeautyDelicious: Was wäre denn Ihr beruflicher Herzenswunsch gewesen?
Iris Wagner: Ich hätte sehr gerne etwas mit Reisen gemacht. Aber dazu habe ich dann heute Zeit.
BeautyDelicious: Als Sie die Ausbildung damals gemacht haben, war es eine reine Drogerie?
Iris Wagner: Ja. Als wir das Geschäft 1979 übernommen haben, waren es sechs reine Drogerien. Gegründet haben meine Eltern 1947 in einer Garage in Lübeck-Schlutup mit Läusepulver, Farben und Tapeten. Eben allem, was man damals so gebraucht hat. Mein Vater ist Kaufmann durch und durch, und hat viel gehandelt. Es waren damals aber auch andere Zeiten. Und dadurch haben sie bereits 1952 expandiert. 1956 haben sie das heutige Stammhaus in Lübeck übernommen. Damals hatten wir bereits einige Pflegedepots, aber in erster Linie waren es Drogerien. Dazu gab es noch ein Fotostudio und -labor unter dem Dach. Auch das gesamte Lager war in diesem Haus bis 1999. Als immer mehr Filialen dazu kamen, wurde es immer unübersichtlicher, ein Warenwirtschaftssystem gab es nicht und so haben wir ständig die Kartons hin- und hergetragen. Die Warenannahme war über eine Rutsche im Keller, wurde über den Fahrstuhl in den 1. Stock gefahren, ausgepackt, umgepackt, ausgezeichnet und von da aus gingen die Waren dann in die Filialen.
BeautyDelicious: Ihr Leben wurde durch die Übernahme ziemlich auf den Kopf gestellt. Zuerst Hausfrau und Mutter und dann noch dazu Geschäftsfrau.
Iris Wagner: Alles hat sich geändert. Um damals im Geschäft drin zu bleiben, habe ich ein Teil der Buchhaltung zu Hause gemacht. Das ist ideal, wenn man selbständig ist und sich die Zeit selbst einteilen kann. Mich hat es auch nicht gestört, nachts zu arbeiten. Wenn die Kinder im Bett waren, habe ich mich an den Schreibtisch gesetzt und die Gehaltsabrechnung für die damals 26 Mitarbeiter gemacht, wogegen wir heute 500 haben. Alles schriftlich, nur mit Taschenrechner und einem Lohnjournal und am Ende habe ich die Lohntüten fertig gemacht.
Ich wollte heile Welt und Familienleben und habe mich deshalb für diesen Weg entschieden, weil ich so unabhängig arbeiten konnte. Als die Kinder größer wurden, habe ich immer mehr Zeit gewonnen und diese genutzt, um mich mehr in das Unternehmen einzubringen. Ich habe zu der Buchhaltung noch die Filialbetreuung übernommen und wie meine Eltern darauf geachtet, meine Kinder mit einzubinden. Meine Mutter hatte damals, trotz Kindermädchen, wenig Zeit und wollte, dass wir trotzdem um sie herum sind. Als ich Kind war, habe ich zur Weihnachtszeit z.B. den Mitarbeitern geholfen und die Türen aufgehalten. Oder wir haben zu Hause Kerzen getaucht, weil mein Vater der Überzeugung war, dass wir den neusten Trends folgen müssen, und damals waren lilafarbene Weihnachtsbaumkerzen modern. Da hat er weiße Kerzen besorgt und wir haben sie in der Küche in Handarbeit umgefärbt. Unfälle waren dabei nicht ausgeschlossen!
Ich habe zum 12. Geburtstag ein Fahrrad geschenkt bekommen unter der Bedingung, dass ich damit Farben und Tapeten ausfahre. So habe ich die Vororte von Lübeck kennengelernt. Solche Dinge haben uns drei Kinder geprägt, und ich bin der Meinung, Arbeit hat Kindern noch nie geschadet. So haben wir es auch mit unseren Kindern gemacht und damit habe ich mir mehr Zeit verschafft, um mich um das Geschäft zu kümmern. Anfänglich hat mein Mann natürlich sehr viel übernommen, aber mit der Zeit hat jeder für sich seinen Bereich besetzt, er das Kaufmännische und ich Personal und Filialbetreuung.
BeautyDelicious: Wenn man beruflich so viel Zeit miteinander verbringt, sich abends auf dem Sofa noch über Geschäftliches austauscht, schafft man es noch, sich Privatzeit einzuräumen?
Iris Wagner: Ja, darauf muss man bewusst achten. Man merkt schon, wenn es mal wieder Zeit dafür ist. Es gibt natürlich Momente, in denen man keine Zeit für das Privatleben hat, besonders im Weihnachtsgeschäft. Das geht ja schon im November los. Aber wir haben es immer geschafft, uns kleine Auszeiten zu gönnen. Nichtsdestotrotz ist das Geschäft immer Gesprächsthema. So sind die Kinder auch schnell im Unternehmen gewesen, weil wir darauf Wert gelegt haben, die drei Mahlzeiten am Tag gemeinsam einzunehmen und da war es immer Gesprächsthema. Und je älter die Kinder wurden, desto mehr konnte man sie auch um Rat fragen.