Seit meinen frühen 20er-Jahren, also seit ich in der Beautybranche arbeite, begleitet mich der (Marketing-) Begriff „Anti-Aging“. Gemeint sind damit meist die Maßnahmen, den Alterungsprozess zu verlangsamen. Das habe ich lange nicht hinterfragt. Schließlich war es ja u. a. mein Job, den Leser:innen Tipps mit auf den Weg zu geben, die Zeichen der Zeit zu bekämpfen und Produkte für die damit einhergehenden Begleiterscheinungen zu empfehlen. Alles, um so lange wie möglich so jung wie möglich auszusehen. Der Wunsch ist verständlich, denn altern ist für viele schwer zu akzeptieren. Der Körper spielt nicht mehr so mit, die Knochen sind anfälliger und brechen schneller, was ich selbst innerhalb eines Jahres zweimal erfahren durfte. Die Sehstärke lässt nach, die Schwerkraft macht sich an diversen Stellen im Gesicht und am Körper bemerkbar – und natürlich auch sichtbar. Wehwehchen und Schmerzen gehören irgendwann zum Alltag dazu. Da will man den „körperlichen Verfall“ nicht auch noch nach außen tragen.
Es erfordert aber jede Menge Mut, gelassen zu altern. Gerade für Frauen ab einem bestimmten Alter. Denn in der öffentlichen Wahrnehmung verlieren Frauen, je älter sie werden, an Attraktivität und werden weniger sichtbar. Man muss nur durch Instagram scrollen. Frauen 40+ sind da NOCH in der Minderheit. Und wie oft hört oder liest man, dass eine Frau für ihr Alter doch noch gut aussieht, oder sie werden gleich durch eine jüngere Version ihrer selbst ersetzt.
Nun ist das hier keine Absage an Cremes, Seren, Peelings und Treatments „für die reife Haut“. Im Gegenteil. Gesichts- und Körperpflege ist für mich essenziell und ich werde sie weiterhin testen und darüber schreiben. Und falls ich irgendwann nicht mehr in der Lage sein sollte, mich selbst zu pflegen, werde ich notfalls jemanden suchen, der meine Pflegeroutine für mich übernimmt. Ich habe tatsächlich auch schon überlegt, einen Step-by-step-Beautyplan an meine Patientenverfügung zu heften, damit es darüber keine Unklarheiten gibt. *lach*
Ich bin auch keine Gegnerin von Schönheits-OPs. Wenn meine Schlupflider irgendwann zu sehr hängen, lasse ich sie korrigieren. Und wenn jemand der Meinung ist, er benötigt ein Fresh-up, go for it! Man sollte nur aufpassen, dass solch kleine Eingriffe nicht in Verjüngungsexzesse ausarten.
Mir geht es um ein positiveres Mindset bezüglich Aging, und darum, das „Anti-“ aus den Köpfen und auch aus dem Wortschatz zu streichen. Das Alter ist kein Feind, den wir mit allen Mitteln erbittert bekämpfen sollten, sondern ein natürlicher Teil unseres Lebens. Dieser beschert uns im besten Falle Weisheit und schenkt uns die Gelassenheit, weniger mit den Begleiterscheinungen zu hadern. Vor allem soll das Altern uns nicht daran hindern, ein abwechslungsreiches und erfülltes Leben zu genießen. Das schreibt sich natürlich leichter, als es am Ende ist. Das weiß ich nur zu gut. Ich erlebe es gerade selbst in diversen Bereichen. Das hat mir zu denken gegeben und dazu geführt, dass ich beschlossen habe, an meinem Mindset und meinem Leben zu arbeiten.
Denn was bringen all die Tuben, Tiegel und Massagen, wenn man sich mental alt fühlt? Nun fühle ich mich selten wie 49. Mitte 30 gab es da einen Switch im Kopf und ich fing an, mich nicht älter, sondern immer jünger zu fühlen, als ich tatsächlich war. Das liegt auch daran, dass mein Aussehen mein wahres Alter nicht verrät. Und seit sechs Jahren bin ich mit einem Mann zusammen, der 20 Jahre jünger ist als ich. Dadurch hat sich mein Freundeskreis und mein Leben an sich eben auch verjüngt. Aber trotz all dem habe ich mich in letzter Zeit öfters, vielleicht zu oft, bei dem „Dafür bin ich zu alt“-Gedanken ertappt. Sei es bei Dingen, die ich in der Vergangenheit getan habe, wie die Nacht durchzufeiern oder auf ein Festival zu gehen. Oder bei Träumen, die ich mir seit jeher erfüllen wollte, wie ein paar Monate im Ausland zu leben, den Segelschein zu machen oder einen Surfkurs zu buchen.
Mit dem „zu alt“-Mindset raubt man sich selbst so viele Möglichkeiten. Dabei hat das Leben unzählige spannende Abenteuer zu bieten. Egal, wie man diese für sich selbst definiert. Hauptsache, man beginnt die Reise und macht sich auf den Weg. Für einige bedeutet es, die Koffer zu packen, um ferne Länder zu bereisen, für andere sich beruflich neu zu orientieren, eine neue Sprache oder ein Instrument zu lernen. Für manche kann es bedeuten, sich neu zu erfinden und sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen. Während andere für sich endlich die Zeit finden, um regelmäßig zum Sport zu gehen. Egal, wie das Abenteuer aussehen mag, man muss es wagen und die negativen Stimmen, die einem sagen, man sei zu alt, aus dem Kopf verbannen. Denn Stillstand und die eigene Komfortzone können schon in jungen Jahren alt machen. Genauso wie ungesunde Ernährung und zu wenig Bewegung, weshalb mir meine Healthy Journey auch so sehr am Herzen liegt.
Nun kann ich ja viel reden, wenn der Tag lang ist. Aber was tue ich jetzt gegen den „Dafür bin ich zu alt“-Gedanken? Ich habe mich endlich zum Segelkurs angemeldet, der Ende März 23 startet!
Und wo sehe ich mich, wenn ich wirklich einmal (an Jahren) alt bin? Dann sitze ich am Strand, der Leoprint-Rollator parkt neben mir, ich trage pinkfarbene Kompressionsstrümpfe mit Sternchenmuster und bin jeden Tag dankbar für all die Abenteuer und schönen Erinnerungen, und dafür, nichts bereut zu haben. In diesem Sinne: Happy positive Aging!
Toll geschrieben und eine sehr wichtige Botschaft 🙂 Gerne mehr davon!
Vielen Dank für das schöne Feedback!