The Healthy Journey: Stress und Gewichtszunahme

The Healthy Journey_Stress und Gewichtszunahme

Bild: Leila Ivarsson

2019 hatte ich das Glück, Gast im la pura women‘s health resort in Kamptal, eine Autostunde von Wien entfernt, zu sein. Das Resort bietet frauenspezifische Konzepte an, unterstützt durch das gendermedizinische Wissen von Univ.-Prof. Dr. med. Alexandra Kautzky-Willer (Professorin für Gender-Medizin an der MedUni Wien), und hat sich auf die gesundheitlichen Bedürfnisse von Frauen spezialisiert. Ich habe während meines Aufenthaltes das Healthy Aging Programm getestet. Der Aufenthalt war wieder einmal ein Augenöffner, wie wichtig das Thema Gesundheit im Allgemeinen und die Frauengesundheit im Speziellen ist. Die ärztlichen Gespräche und die Auswertung meines Bluttests haben mir damals schon gezeigt, wo meine gesundheitlichen Baustellen liegen (Stichwort Darmgesundheit, Silent Inflammation, zu wenig Gemüse, Übergewicht, Bewegung), auch wenn es bis letztes Jahr Dezember gedauert hat, das Thema Gesundheit ernsthaft anzugehen. Ich kann jeder Frau einen Aufenthalt im la pura women‘s health resort nur ans Herz legen. Es ist eine gute Investition in Körper, Geist und Seele. Für mich war es aber auch ein Wachrütteln, was das Thema Gendermedizin anbelangt. Mir wurde deutlich, wie sehr wir Frauen bis heute bei dem Thema Gesundheit wenig bis gar nicht berücksichtigt werden. Eine Frage, die mich seit dem Beginn meiner Healthy Journey beschäftigt, ist, inwieweit der Genderaspekt beim Thema Gewichtszunahme und Übergewicht eine Rolle spielt. Spannende Antworten dazu habe ich von Frau Univ.-Prof. Dr. med. Alexandra Kautzky-Willer erhalten. Mehr dazu im Interview.

Prof.-Dr.-med-Alexandra-Kautzky-Willer

1. Liebe Frau Prof. Dr. med. Kautzky-Willer, Sie sind seit 2010 Professorin für Gendermedizin an der Medizinischen Universität Wien und haben eine Gender Medicine Unit gegründet. Was kann man sich unter Gender Medicine vorstellen?

Zum einen wird der Frage nach den Geschlechtsunterschieden auf Körperebene nachgegangen. Zum anderen werden soziale, psychische und kulturelle Einflussfaktoren auf Entstehung, Verlauf und Behandlung von Krankheiten erforscht. Kurz gesagt beschäftigt sich Gendermedizin mit Unterschieden und Gemeinsamkeiten in Gesundheitsfragen bei Männern wie Frauen. Das Ziel ist dabei immer, die Gesundheit von Männern wie Frauen zu verbessern und vor allem auch Über-, Unter- oder Fehlbehandlungen zu vermeiden. Zum Glück ist das Thema mittlerweile präsent und wird an medizinischen Universitäten wie Wien oder der Charité in Berlin gelehrt. Es gibt 79 Gene auf dem Y-, 1.500 auf dem X-Chromosom und somit viele Unterschiede zwischen Mann und Frau. Medizinisch sollten daher unbedingt beide Geschlechter individuell betrachtet werden.

2. Warum ist es wichtig, beim Thema Gesundheit Unterschiede zwischen Frauen und Männern zu machen?

Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern sind sowohl bei den Symptomen, den Risikofaktoren als auch der Verträglichkeit von Medikamenten groß. Allein wenn man das Thema Herzinfarkt betrachtet: Bei Frauen wird dieser später erkannt, weil die Symptome oftmals anders sind als bei Männern. Die klassischen Symptome sind bekannt: Schmerzen in der Brust, die in den linken Arm oder Hals ausstrahlen. Bei Frauen sind aber Schmerzen im Oberbauch häufig, das geht hin bis zu Rücken- und Nackenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Erschöpfung. Fakt ist, dass statistisch gesehen mehr Frauen als Männer an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung sterben und Herzinfarkte bei jungen Frauen zunehmen, die dann auch eine schlechtere Prognose haben. Ein Grund für die Zunahme liegt an dem Anstieg der Risikolast bei Frauen, wie Fett- und Zuckerstoffwechselstörungen, Bluthochdruck und Bewegungsmangel. Dazu kommen dann auch noch rund um das 50. Lebensjahr die hormonellen Veränderungen im Klimakterium, die viele Veränderungen, so auch eine Zunahme von Bauchfett und Entzündungsfaktoren, mit sich bringen. Gerade dann ist es wichtig, dass Frau sich noch mehr auf die eigene Gesundheit konzentriert.

Die Lebenserwartungen für Männer und Frauen sind in den vergangenen Jahren gestiegen – überraschend ist aber die Entwicklung, dass die Differenz zwischen beiden geringer wird. Die Lebenserwartung für Frauen ist grundsätzlich höher und liegt heute bei 84 Jahren. Die Männer holen aber auf, die Differenz liegt aktuell bei 4,7 Jahren. Die Frage ist, warum die Lebenserwartung bei Frauen weniger stark steigt als bei Männern. Bei Betrachtung der Statistik für gesunde Lebensjahre laut Eurostat 2019 (statistisches Amt der Europäischen Union) liegt diese bei Männern mit 57 Jahren und Frauen mit 57,1 Jahren in Österreich fast gleichauf, während der europäische Mittelwert für Frauen bei 64,2 Jahren liegt. Das heißt für uns, dass österreichische Frauen letztendlich mehr Lebenszeit mit chronischen Erkrankungen und damit mit Einschränkungen verbringen. Das sollte uns zu denken geben.

3. Obwohl man weiß, dass es Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt, wurden bis in die jüngste Vergangenheit beide Geschlechter gleich behandelt bzw. waren Männer und männliche Versuchstiere die Norm. Seit wann findet hier ein Umdenken statt und warum hat es so lange gedauert?

Die Idee der Frauengesundheitszentren entstand mit der Frauenbewegung in den 1970er- und 80er-Jahren. Bis zu diesem Zeitpunkt stellte allein der Mann den Prototyp. Den ersten Gesundheitsaktivistinnen ging es darum, Frauen mehr Wissen über ihren eigenen Körper zu ermöglichen. Frauen begannen, sich selbst und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen. Die Frauengesundheitsbewegung stellte von Anfang an die Definitionsmacht der Medizin infrage. Sie richtete den Blick auf die vielen Faktoren, die die Gesundheit von Frauen beeinflussen, wie z. B. ihre wirtschaftliche Situation und die Qualität ihrer Ausbildung, ihr Alter, körperliche oder geistige Beeinträchtigungen, sexuelle Orientierung, Herkunft, die familiäre Arbeitsteilung, die Entscheidung für oder gegen ein Leben als Mutter.

4. Wenn man Beipackzettel liest, gibt es bei der Dosierung keinen Unterschied zwischen Frau und Mann. Ist Gender Medicine bei den Pharmakonzernen noch nicht angekommen? Und was kann jede/r Einzelne tun, damit man dem Geschlecht entsprechend bestmöglich versorgt wird?

Leider werden die Daten noch nicht so aufbereitet. Meines Wissens gibt es in Amerika ein einziges Medikament, ein Schlafmittel, bei dem die Dosierungsempfehlung konkret auf das Geschlecht eingeht. Jeder Frau empfehle ich, sehr genau nachzufragen, die Dosierung zu hinterfragen und bestmöglich Informationen auch in Bezug auf mögliche Nebenwirkungen speziell bei Frauen und Wechselwirkungen mit anderen Präparaten einzufordern. Nicht einfach alles ungefragt hinnehmen!

5. Können Sie Beispiele nennen, wo das Geschlecht bei einer Erkrankung und deren Behandlung eine signifikante Rolle spielt?

Nehmen wir als Beispiel Diabetes, der das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gerade bei Frauen extrem steigen lässt: Hier wird meist nur der Nüchtern-Blutzucker gemessen. Ist der im Rahmen, wird nicht weiter nachgeforscht. Doch nur der Zuckerbelastungstest taugt für Frauen zur Diabetes-Früherkennung. Hiermit lässt sich nämlich schon vor Ausbruch eines Diabetes eine gestörte Glukosetoleranz nachweisen, die gut durch Bewegung und eine Lebensstilintervention mit Ernährungsumstellung beeinflusst werden kann. Das heißt: Laborwerte oder Blutmarker müssen frauenspezifisch gesetzt werden, um sinnvolle Prävention zu bieten.

Oder nehmen wir als sehr aktuelles Beispiel COVID-19: Grundsätzlich ist das Immunsystem von Frauen besser gegen Viren gewappnet als das von Männern. Evolutionsbiologisch lässt sich das wahrscheinlich so erklären, dass Frauen für mögliche Schwangerschaften widerstandsfähiger sein müssen und bei Schwangerschaft sich selbst und ihr ungeborenes Kind vor Infektionen schützen müssen. Sexualhormone, vor allem Östrogen und Testosteron, haben einen wichtigen Einfluss auf die Immunabwehr gegen Viren. Östrogen kann die Immunantwort beschleunigen. Testosteron, das männliche Sexualhormon, hat eine immunhemmende Wirkung, verschlechtert also die Reaktion des Immunsystems und unterdrückt Immunantworten, die der Körper zur Bekämpfung von COVID-19 braucht.

6. Wie ist der Genderaspekt beim Thema Gewichtszunahme und Übergewicht?

Die Natur hat für die Frau an sich mehr Körperfett vorgesehen als für den Mann. Der Körper der Frau kann vermehrt Fett im Bereich der Hüfte einspeichern, beim Mann wird eher Bauch- und Leberfett eingespeichert. Zusätzlich beeinträchtigt Stress bei jedem Menschen den Fettabbau, jedoch ist der weibliche Körper für spezielle Arten von Stress besonders anfällig. Stress macht dick. Dies liegt darin begründet, dass der Körper bei Stress vermehrt Cortisol ausschüttet. Das Cortisol hebt den Blutzuckerspiegel an, denn so könnten wir in einer lebensbedrohlichen Situation aufgrund der Verfügbarkeit zusätzlicher Energie einfacher entkommen und uns retten. Zusätzlich fällt es Frauen auch wesentlich schwerer, die unliebsamen Kilos wieder abzunehmen.

7. Es gibt eine neue Studie, die den Zusammenhang zwischen Stress und Gewichtszunahme belegt. Welche neuen Erkenntnisse gibt es?

Auffallende Ergebnisse der Studie: Frauen, die schwerpunktmäßig eine weibliche Geschlechterrolle übernehmen, haben oft mit höherem Gewicht und mehr Körperfett, zudem mit mehr Entzündungszeichen zu tun. Deshalb sollten Frauen mit Übergewicht oder Adipositas und weiblicher Selbstidentifikation besonders auf ihr metabolisches und mentales Risiko evaluiert und überwacht werden. Frauen mit metabolischem Syndrom (starkes Übergewicht und verminderte Insulinempfindlichkeit) wiesen laut aktueller Studie auch ein höheres Risiko für psychische Störungen auf. Dagegen zeichneten sich Frauen, die sich eher mit einer männlichen Geschlechtsrolle identifizierten, durch eine ungünstigere, bauchbetonte Fettverteilung aus und waren stress- und damit Burn-out-gefährdeter. Eine klare Typisierung wäre aber zu sehr Schwarz-Weiß-Malerei. Wir müssen jede Frau individuell betrachten, denn die meisten von uns sind sowieso Mischtypen. Was aber für alle Frauentypen gilt: Wer eine hohe Herzratenvariabilität (messbar via Biofeedback) und damit eine bessere Resilienz aufweisen kann, hat ein geringeres Risiko für Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Von einem Programm mit Kalorienreduktion und Verbesserung der Resilienz profitieren also sowohl Frauen mit unauffälligem Body-Maß-Index, aber bauchbetonter Fettverteilung als auch Frauen mit Übergewicht und günstigerer Fettverteilung im Hüftbereich.

8. Stress ist nicht gleich Stress. Wirkt sich positiver Stress genauso ungünstig auf das Gewicht aus wie negativer Stress?

Positiver Stress treibt uns zu Erfolgen und erhält unsere Gesundheit, wenn nach einer Herausforderung eine Entspannungsphase folgt. Chronischer Stress allerdings versetzt den Körper in einen dauerhaften Aktivierungszustand, der zu Erschöpfung führt. Dauerhaft Gestresste haben ein höheres Risiko für Bluthochdruck, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden oder Diabetes zu entwickeln. Außerdem wird das Immunsystem geschwächt. Innere Anspannung und Konzentrationsschwierigkeiten sind erste psychische Folgen von Stress. Stress verleitet in den meisten Fällen zu ungesunder Ernährung.

9. Wie definiert sich Stress-Essen?

Hier kennen wir verschiedene Persönlichkeitstypen. Stress ist meist mit einer höheren Fett- und Zuckeraufnahme verbunden. Eine Erhöhung des Cortisolspiegels (bei Stress) und ein verändertes Zusammenspiel weiterer Hormone, die für den Energiehaushalt wichtig sind, erhöhen den Appetit. Das kann ein größeres Problem darstellen, wenn vor allem nach frittierten, salzigen oder süßen Lebensmitteln mit geringem Nährwert und vielen überschüssigen Kalorien gegriffen wird. Ein kurzfristiges Belohnungsgefühl erhöht die Gefahr der Verfestigung des ungesunden Verhaltens.

10. Wann spricht man von Übergewicht und ab wann ist es bedenklich?

Ab einem BMI von 25 gelten Menschen als übergewichtig, dicke Probleme drohen bei Werten über 30, also mit deutlichem Übergewicht (Adipositas). Gefährlicher ist aber vor allem bei Frauen ein erhöhter Bauchumfang (über 88cm).

11. Wie kann ich feststellen, ob es Stress ist, durch den ich zunehme? Gibt es einen Test oder Ähnliches?

Am besten gelingt das wohl durch Selbstbeobachtung, ob man in Stresssituationen vermehrt nach Ungesundem greift und snackt oder sogar das Essen vergisst und abnimmt. Es gibt aber auch verschiedene Tests, sogenannte genetische oder epigenetische Tests, die den Stoffwechseltyp und Hormonhaushalt sowie die Resilienzfähigkeit untersuchen. Viele Hausärzte bieten diese Testung mittlerweile an, so auch das Ärzteteam vom la pura. Unabhängig davon, wo der Test durchgeführt wird, erfolgt die Auswertung in der Regel innerhalb von zwei bis drei Wochen von einem dafür ausgestatteten Labor. Das Ergebnis wird an den Hausarzt bzw. behandelnden Arzt zurückgesandt. Die Testergebnisse geben Aufschluss über das genetische Alter im Allgemeinen und den Stoffwechsel und Hormonhaushalt im Genauen. Der Arzt wertet die Ergebnisse aus und kann daraus eine individuelle Therapie ableiten, über die er in einem ausführlichen Gespräch Auskunft gibt.

12. Warum nehmen manche Menschen unter Stress ab bzw. „vergessen“ zu essen, während andere viel mehr essen als sonst?

Die Veranlagung hängt mit dem Stoffwechseltyp zusammen. Einige Menschen leiden bei Stress nicht unter Heißhunger, sondern unter Appetitlosigkeit. Allerdings wirkt sich Stress bei den meisten von uns auf den Hunger aus. Menschen, die stark auf Cortisol reagieren, entwickeln besonders oft Gelüste nach stark gezuckerten Lebensmitteln. Dies führt schließlich zu einer Gewichtszunahme und zu verschiedenen anderen gesundheitlichen Problemen.

13. Was kann man tun, um nicht in die Stress-Essen-Falle zu tappen?

Was im la pura hervorragend erfahren, eingeübt und getestet werden kann, ist eine gesunde Ernährung und Spaß am vielseitigen Sportangebot, das auch Anregungen für mehr Bewegung und aktive Entspannung zu Hause gibt. Geht es um die Gewichtsreduktion und Darmgesundheit, hilft u. a. unsere frauenspezifische F.X. Mayr-Kur. Oft geht es bei Frauen auch um Hormone, etwa in den Wechseljahren oder der Schwangerschaft, aber auch unabhängig vom Alter um Schilddrüsenprobleme. Insgesamt handeln wir nie nach Schema F, sondern immer individuell, etwa in Hinblick auf spezielle Bedürfnisse, Risikomarker, Alter und Lebensstil. Wichtig ist auch die individuelle Beratung zur Raucherentwöhnung. Denn Frauen tragen noch mehr Schaden vom Rauchen davon als Männer, weil ihre Atmungsorgane und Gefäße empfindlicher sind. Und sie werden leichter rückfällig, wenn sie zunehmen oder die Psyche Probleme macht, der wir bei Frauen übrigens ebenso große Aufmerksamkeit widmen wie dem Körper. Auch wenn es zum Beispiel um Rückenschmerzen geht, denen das la pura mit einer großen Kompetenz in Sachen Therapie zu Leibe rückt. Zusammengefasst bedeutet das: nicht rauchen, wenig Alkohol, gesunde Ernährung, viel Bewegung, Genussfähigkeit und den Stress im Griff halten. Das klingt leicht, muss aber einstudiert und gelebt werden.

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